
Ritomsee – Greina – Lugnez 23. – 26. Juni 2019
Vom Ritomsee über die Greina ins Lugnez: eine Viertageswanderung Ende Juni 2019 mit anspruchsvollen Momenten, viel Schnee und einigen gehüpften oder gesprungenen Bachüberquerungen
Ja, die meisten von uns waren ziemlich gefordert… Das begann bereits beim Ritomsee, als klar war, dass die Uebergangsmöglichkeiten zur Lukmanierpassstrasse noch voller Schnee waren und man uns im Gasthaus Lago Ritom sagte, alle drei Pässe seien gesperrt. Was tun? Nach vielen Beratungen und Rückfragen die Entscheidung: über den Passo dell’Uomo auf den Lukmanierpass. Der Aufstieg auf den Pass war schön (Wiesen, Bergfrühlingsflora), aber der Abstieg eine steile, ruppige, teilweise schneebedeckte Geröllhalde (der von Béa eigentlich vorgesehene Passo del Sole wäre viel schöner gewesen, aber eben: der Schnee wollte es anders). Die Postautochauffeuse auf dem Lukmanierpass wartete zehn Minuten lang, bis auch die fast Letzten (einer reichte es nicht mehr, weil sie die Schuhe wechseln musste – sie machte dann halt Autostopp nach Acquacalda, wo wir übernachteten) die fahrbare Unterlage erreichten.




Am zweiten Tag war ich nicht dabei, weil ich wegen kaputten Wanderschuhen, die zu ersetzen waren, ein anderes Tagesprogramm hatte. Laut Erzählungen der Gruppe war die Wanderung zur Bovarinahütte schön, aber recht anstrengend (trotz fehlendem Schnee!) und heiss.


Am dritten Tag ging es zuerst nach Campo Blenio hinunter, dann für gut die Hälfte der Gruppe mit einem privaten Taxi etwa 550 m hoch bis zur Alpe di Camadra di Fuori. Von dort mussten noch ungefähr 500 m bewältigt werden bis zum Tagesziel, der Capanna Scaletta. Ein Bravo denjenigen, die den ganzen Aufstieg von über 1’000 m zu Fuss geschafft haben. So schön das viele Wasser war – die Bäche mussten Unmengen von Schmelzwasser befördern -, es gab mehrere Momente, in denen sich die bange Frage stellte: springen, kraxeln,
hüpfen und/oder auf Steinmocken balancieren, um über den Bach zu gelangen? Ohne Stöcke, ausgestreckte Arme und zupackende Hände von Mitwanderern, die das Hindernis bereits überwunden hatten, wären einige von uns ziemlich ratlos gewesen. Vorallem Donat sei hiermit für seine helfenden Hände, Arme und Stöcke herzlich Danke gesagt. Von mir bekommt er noch ein zusätzliches Dankeschön, weil ich nur wegen seinen Bastelkünsten an meinen lädierten Wanderschuhen das erste Tagesziel erreicht hatte. Da Schneeflächen und
abgerutschte Hänge manchmal unsere Wegstrecke bedeckten, war auch nicht immer ganz klar, wo der Wanderweg durchging. Nun, alle erreichten das Tagesziel, und wir freuten uns an den vielen Steinböcken, Gemsen und Murmeltieren rund um die Hütte – sie schienen an Menschen gewöhnt, und vorallem die Steinböcke ästen trotz Zuschauern weiter friedlich vor sich hin. Und weil die Scalettahütte mit grandioser Rundsicht herrlich gelegen ist, genossen wir alle seeehr die verdiente Ruhe und Erholung.


Am vierten Tag wartete eindeutig die happigste Wanderung auf uns. Von einer gemäss Programm «gemütlichen Genusswanderung» merkten wir wegen dem vielen Schnee leider wenig bis nichts. Wir zogen bereits um sieben Uhr morgens los. Die Greinaebene war noch fast ganz schneebedeckt, und Béa musste mehrmals genau überlegen und Routenpläne studieren, wo durch sie uns führen wollte, denn Wanderwegzeichen oder Fussspuren waren oft nicht zu sehen. Und Vorsicht wegen möglichen Rutschpartien war angesagt.
Es gab einige Unruhe und auch etwas Unmut in unserer Wandergruppe… Zeit für Ruhepausen von mehr als etwa fünf Minuten hatten wir nicht, und die erholsame und verdiente Mittagspause gab es auf dem Diesrut-Pass erst um dreizehn Uhr. Rechne: sechs Stunden vorsichtiges und manchmal mühsames Gehen über grosse Schneeflächen ohne erholsame Stundenhalte – uff.
Aber dann ging es nur noch nidsi; trotz flottem Tempo reichte es gerade für ein kühlendes Getränk in einer Jurte bei Puzzatsch (ganz hinten im Lugnez), bevor uns der öV wieder in die Zivilisation – und die grosse Hitze – brachte.
Ich glaube, dass niemand von uns – auch Béa nicht – sich diese Schneemassen vorstellte, die uns Ende Juni erwarteten. Das war manchmal mühsam und aufreibend, aber freuen konnten wir uns dafür an vier wettermässig prächtigen Tagen. Und schliesslich: wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen, fand schon Matthias Claudius vor etwa 250 Jahren! Béa, die gesundheitlich nicht in Topform war, was sie uns aber nicht spüren liess, führte ihre Truppe trotz allen Hindernissen sicher ins Lugnez hinunter – herzlichen Dank, Béa.


Text: Evy Merino, Bonstetten
Bilder: Regula Schwarz Obrero