Wanderreise Cilento 15. bis 27.Oktober 2023
Es ist kalt geworden und es regnet. Stimmt es, dass ich mich noch vor wenigen Wochen, nach Wanderungen, in angenehm warmem Wasser des türkisfarbenen Tyrrhenischen Meeres an romantischen Stränden mit «sabbia» oder «sassolini», erfrischen durfte? Gut, es regnete auch hin und wieder, und manchmal störten Dunst und Wolken eine verheissungsvolle Aussicht aufs Meer. Es kam auch vor, dass wir das Programm deshalb ändern mussten. Aber so kam der Parco Nazionale del Cilento endlich zum seit Juni heiss ersehnten Nass, und wir erlebten interessante Alternativprogramme. Die Sonne verliess uns aber nie ganz und brachte uns auch immer wieder zum Schwitzen. Sonnencreme und Sonnenhüte waren nützlich. Wir wanderten in südiitalienischen, erstaunlich grünen und üppigen Wäldern, rochen Rosmarin, Lavendel, Myrthe, Thymian und lernten Pflanzen wie den Erdbeerbaum und die hohen, nur im Cilento wachsenden «Olivi pisciotani», die nicht geschnitten werden, kennen.
Béatrice Di Concilio hatte uns 11 Frauen im Nachtzug in den Süden Italiens geführt. Leider hatte sich eine treue Naturfreundin wegen Krankheit abmelden müssen. Zwei Teilnehmerinnen (eine davon war ich) waren noch etwas geschwächt und trugen am ersten Tag Masken, weil wir gerade von Corona genesen waren. Wir profitierten von Einzelschlafwagen.
Nach guter Fahrt stiegen wir in Pisciotta-Palinuro am Meer aus und bekamen in der Bar des kleinen Bahnhofes den ersten italienischen Kaffee. Zwei junge Reiseleiterinnen Rosalba und Manuela fuhren uns mit kleinen Bussen nach Palinuro, wo wir die erste Wanderung an der Küste machten und tüchtig verregnet wurden. Im «Laboratorio Aura» wurden wir über die Herstellung von Thunfisch- und Sardellen-Konserven informiert und wunderbar mit weissem und rotem Thunfisch, Myrthen-Mozzarella, Zwiebelkonfiture und Geissenkäse, Spezialitäten der Region, verwöhnt.
Viermal übernachteten wir in Marina di Camerota im Parkhotel Cilento, wo wir Zimmer mit Ausgang in den Garten hatten, und kulinarisch mit Fischen, Meeresfrüchten, Pasta, Gemüsespezialitäten und Kuchen so verwöhnt wurden, dass wir auf halbe Portionen umstellen mussten. Wegen Gewitter und Regen musste das Programm geändert werden und wir wurden von unseren Reiseleiterinnen weit in den Nordosten des Cilentos ins Vallo di Diano gefahren und durften die grosse, wunderschöne Tropfsteinhöhle «Le Grotte die Pertosa-Auletta» besichtigen. Dann fuhren sie uns zu ihrem Wohnort, der auf einem Hügel mitten im Tal gelegenen, hübschen, alten Stadt Teggiano, mit 13 Kirchen, einem Kastell und dem Denkmal des Stadtheiligen San Cono. Anschliessend zeigten sie uns das einsam gelegene Battisterio paleocristiano di san Giovanni in Fonte bei Padula, Ruine einer alten Kirche, die auf dem Gelände eines griechischen Tempels erbaut worden war. Gegen das Nass von Oben schützten uns unsere Schirme und von Stegen aus sahen wir hinunter auf das Quellwasser das unterhalb der alten Mauern heraufblubberte.
Da am nächsten Tag schönes Wetter war, wurden wir mit einem Boot zu einem romantischen Strand an der Costa degli Infreschi gebracht und wanderten durch die Wildnis des Parco Nazionale di Cilento auf eine Anhöhe mit wunderschöner Sicht aufs Meer. In der plötzlich auftauchenden von Mutter und Sohn liebevoll geführter «Oasi degli Infreschi» wurden wir mit Maracucciata, einer lokalen Spezialität aus einer Hülsenfrucht, die nur in dieser Gegend wächst, und vielen anderen Spezialitäten verwöhnt. Es wurde uns klar, dass wir auf einer kulinarischen Wanderreise waren. Hinunter gewandert, durften wir an einer einladenden Bucht schwimmen. Dann stiegen wir vom Wasser aus, Schuhe in den Händen, wieder in ein Boot. Wir wurden, nach einem Abstecher in eine Grotte, in der wir Wasser mit dem intensivsten Blau sehen durften, wieder zurück in den Hafen von Marina di Camerota gebracht.
Unsere längste Wanderung führte uns von S. Giovanni di Piro durch das schöne Grün der Wälder, dekoriert mit einer Vielzahl von Zyklamen und hie und da Safran-Krokus, auf den Monte Bulgheria (1225m). Der steile Aufstieg zu den drei Gipfeln, wurde mit Aussicht auf das Meer und Policastro, Sapri, und Kalabrien belohnt. Lavendel, grüne Eidechsen und zwischen den Bäumen und bis auf dem Gipfel Kühe mit geschwungenen Hörnern. Manuela bemerkte beim Abstieg, praktisch unten angekommen, dass sie ihr Täschchen mit dem Autoschlüssel auf dem höchsten Gipfel liegen gelassen hatte. Sie war aber tapfer und trainiert genug, um den Monte Bulgheria gleich ein zweites Mal zu besteigen und uns anschliessend in fröhlicher Stimmung mit dem Büssli zurück ins Hotel zu fahren.
Als wir auf Manuela warteten, hatten wir Zeit, das lebendige alte Städtchen San Giovanni di Piro mit den schönen Torbogen an den Hauseingängen, anzuschauen. Wir hörten Blasmusik und sahen Leute in die Kirche zur Messe gehen, und andere, die auf dem Kirchenplatz ein Fest vorbereiteten. Eine Frau wollte uns zum Fest anlässlich der Prozession für San Gerardo einladen. Ein Mann begrüsste uns mit «Grüezi,wie gahts?», er hatte vor vielen Jahren als Maurer in der Schweiz gearbeitet.
Die Reise war sehr vielfältig, wir konnten uns auch kulturell weiterbilden. So besuchten wir Velia, das vor 2400 Jahren von Griechen, die aus Kleinasien fliehen mussten, gegründet wurde. Es wurde zu einer wichtigen Stadt für Philosophen. Ein eigenartiges Gefühl auf Strassen zu gehen, die vor so langer Zeit belebt gewesen waren und sich die Akropolis vorzustellen, die wohl weit vom Meer aus sichtbar gewesen sein musste.
In San Mauro, einem Bergdorf, kochten wir uns «in unserer geräumigen Wohnung» zweimal selber das Abendessen. Wer wollte, konnte bei Béa das süditalienische Kartenspiel Scapa spielen lernen. Es wehte ein starker Wind, die Wäsche flatterte auf dem Balkon. Hier besuchten wir die Cooperativa Agricola Nuovo Cilento, wo uns der Chef den Betrieb zeigte und uns seine Gedanken über Oekologie als Vortrag mit Powerpoint und Film vermittelte. Er führt das Unternehmen zur Olivenölproduktion sehr umweltbewusst. Alles wird verwertet: eine Art Pellet aus den Olivenkernen und guter Humus aus den Olivenresten zur Verbesserung der Gemüseernte. Dass dieses Jahr die Oliven zu mager sind, da es kaum regnete, machte ihm Sorgen. Er zeigte uns, wie man Olivenöl testet und wie man merken kann, dass es gesunde Antioxydantien enthält.
Auch der emeritierte Professor und Leiter des Museums, der sich Zeit nahm, obwohl er mithilft seine Schwiegermutter zu pflegen, konnte uns interessante Details über die griechische Herkunft der Bevölkerung des Cilento erzählen. Er zeigte uns die alte Bibliothek und liess uns in historischen Büchern blättern. Das Museum war in einer 1580 von einer liberalen katholischen Gemeinschaft (Männer und Frauen) gegründeten Kirche untergebracht. San Mauro hat einen sehr alten Stadtteil, aber leider ziehen viele junge Leute weg.
Auf der Wanderung auf den Monte Stella war die Aussicht wegen des Nebels beschränkt. Aber das prähistorische Heiligtum mit den grossen Felsbrocken beeindruckte uns. Zuoberst gibt es einen militärischen Stützpunkt.
In Agnone, das uns an Ascona erinnerte, erlebten wir einen wunderschönen Sonnenuntergang am Meer. Das Geräusch der Wellen liess mich jedoch lange nicht einschlafen. Am nächsten Tag wanderten wir im Duft von Kräutern, an Olivenbäumen mit blauen Ernte-Netzen vorbei. Bald sahen wir hinter grünen Pinien das blaue Meer. In der Spiaggia di Olicastro Marina konnten wir ins Meer steigen.
Die malerische Stadt Agropoli auf einer Halbinsel, die schon von den Griechen bewohnt wurde, begeisterte mich. Wir frühstückten aus buntem, rustikalen Keramikgeschirr im Garten des B&B und fühlten uns wie im Paradies. Ich überlegte mir, auf die Wanderung zu verzichten Aber bei den kulinarischen Exkursen war das Wandern eine Notwendigkeit. Die Conche und der Monte Tresino mit Blick aufs Meer, noch einmal Schwimmen und bald ging die Reise per Zug weiter nach Salerno.
In Salerno angekommen, trainierten wir nicht nur die Beine, sondern auch die Arme. Wir zogen nämlich unsere Koffer; meiner war inzwischen auch mit Olivenöl und schönen Steinen vom Strand beladen. Es ging der Bahnhofstrasse, die bereits ihren Weihnachtsschmuck trug, entlang, zu einem B&B mit 5 Stockwerken. Ich überliess meinen Koffer nach der 50. Treppenstufe dem ebenfalls übergewichtigen Gastgeber, der zuerst einen zweiten Koffer gleichzeitig zur 112. Treppenstufe hinauftragen wollte, sich aber dann keuchend und schimpfend meinem Koffer widmete.
Béa zeigte uns den Dom, der um 1000 gebaut wurde. Der Baustil ist von allen drei monotheistischen Religionen beeinflusst. Die Mosaike, Intarsien, Figürchen und Säulen begeisterten uns. Salerno ist eine sehr schöne Stadt, weshalb die meisten am nächsten Tag dortblieben und eine Wanderung zum Castello Arechi machten. Auf dem Weg assen sie Früchte des Erdbeerbaumes.
Ich entschied mich mit drei anderen Frauen zusammen nach Paestum zu reisen. Paestum mit den drei grossen griechischen Tempeln, den Grundmauern römischer Häuser mit Mosaikböden, dem Theater, Spital und vielem mehr. Wir spürten dem Leben in der Antike nach und gingen auf uralten Strassen. Das Museum ist sehenswert. Mich beeindruckten die bunten, naiv gemalten Fresken aus griechischen Gräbern. Die Vergänglichkeit von uns Menschen, die in Zeiten des Friedens oder des Krieges lebten und leben, mit alltäglichen oder ausserordentlichen Freuden und Sorgen, spürte ich vielleicht verstärkt, weil ich in den Tagen im Cilento so viel Schönes erleben konnte und gleichzeitig beunruhigt war über die gefährliche Situation in Israel.
So vergingen die Tage unserer schönen Reise.
Am 27.10.23 stiegen wir wieder in den Zug und fuhren mit einmal Umsteigen in Mailand voller neuer Eindrücke nachhause.
Danke liebe Béa Di Concilio für die Vorbereitung und umsichtige Leitung der unvergesslichen Reise in den Parco Nazionale di Cilento!